Bund und Länder stehen in der Verantwortung, Ausstiegsprogramme in Haft jetzt dauerhaft zu finanzieren.
Berlin, 16. April 2013 – In Deutschland können sich inhaftierte Rechtsextreme ungehindert vernetzen. Die Justizbehörden laufen Gefahr, dieselben Fehler zu machen wie die Sicherheitsbehörden im Fall des Neonazi-Netzwerks NSU. „Verantwortung übernehmen – Abschied von Hass und Gewalt“, das einzige Programm in Deutschland, das mit extremistischen Gewalttätern in Haft arbeitet, wird nach zwölf erfolgreichen Jahren beendet, weil Bund und Länder sich nicht über eine Weiterfinanzierung einigen können.
Bei dieser Arbeit ist es entscheidend, den Dialog mit den Inhaftierten zu beginnen. Schulungen für den Vollzugsdienst, Postkontrollen oder reine Anti-Gewalt-Trainings alleine werden Netzwerke im Gefängnis nicht verhindern. Rund hundert Täter aus dem extremistischen Spektrum werden jedes Jahr von Violence Prevention Network erreicht und distanzieren sich dadurch von Gewalt und menschenverachtenden Ideologien. Durch effektive politische Bildungsarbeit mit den Häftlingen und intensive Betreuung nach der Entlassung wird die Re-Inhaftierungsquote um 70% gesenkt und die Gewalttäter davon abgehalten, eine Karriere einzuschlagen, die sie in den Untergrund führt.
Doch nicht nur die Länder ziehen sich aus der Verantwortung, auch das Bundesinnenministerium sieht sich bei Fragen der Deradikalisierung und Extremismusprävention nicht in der Pflicht. Die Entscheidung, kein eigenes NPD-Verbotsverfahren anzustrengen, sollte zugleich in effiziente Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus münden, die dauerhaft finanziert und konsequent ausgebaut werden. Für eine Million Euro im Jahr könnten Deradikalisierungsprogramme in Haft in allen 16 Bundesländern durchgeführt werden. Keine allzu große Summe in Anbetracht der jährlichen Ausgaben für die Sicherheitsbehörden im Bereich Extremismusbekämpfung. Wir fordern das Bundesinnenministerium und die zuständigen Länderministerien deshalb auf, Verantwortung zu übernehmen und das einzige deutsche Deradikalisierungsprogramm für inhaftierte Extremisten dauerhaft weiter zu finanzieren.
„In bundesdeutschen Gefängnissen sitzen Täter, die den Ausstieg aus der extremistischen Szene wollen. Wir können diesen Menschen beim Ausstieg nicht mehr helfen, da die politisch Verantwortlichen unsere Arbeit nicht finanzieren. Es ist verantwortungslos, dass die Politik auch nach dem Aufdecken der Taten des NSU und nach Bekanntwerden der Neonazinetzwerke in deutschen Strafanstalten lediglich das Schließen von Sicherheitslücken als Lösung präsentiert.“ Judy Korn, Geschäftsführerin von Violence Prevention Network